Seit dem 5. Jahrhundert, als die strenge Kirchenzucht mehr und mehr nachließ, schien es angebracht, dem Büßer anstelle der Verhängung einer öffentlichen Kirchenstrafe als Genugtuung nach der Beichte die stille Leistung guter Werke (etwa Almosen) aufzuerlegen. Dadurch erhielten gute Werke im Abendland immer stärker den Charakter einer förmlichen Genugtuung für begangene Schuld, wobei sich hier der Einfluss der alten germanischen Rechtsprechung geltend machte: Die Verletzung eines anderen Freien war hier durch eine Sühneleistung, d. h. eine als Äquivalent angenommene Gabe, abzugelten und der Verletzte hatte sich damit abzufinden. Analog auf den Fall der Sündenstrafe übertragen, dachte man sich Gott als den gekränkten Teil, dem gegenüber eine solche Satisfaktion zu leisten war. Die altgermanischen Gesetzgebungen kannten nun sowohl die Möglichkeit einer Übertragung der Sühneleistung auf andere als auch die Kompensation des Vergehens oder Verbrechens durch Geld (Wergeld). An diese Volkssitte knüpfte später auch die Kirche an, z. B. in England, wo seit dem Ende des 7. Jahrhunderts Beichtbücher in Umlauf kamen, die eine Art Umrechnungstabelle von Kirchenstrafen (Fasten, Psalmengesang oder Almosen) in Geldspenden an Kirchen oder Kleriker enthielten. Auch stellvertretende Bußen kamen auf. Ein wohlhabender Büßer konnte so eine Bußzeit von sieben Jahren in drei Tagen absolvieren, wenn er die entsprechende Anzahl Männer „mietete“, die für ihn fasteten.
Die Kirche stellt bis heute gewisse Bedingungen an die Ablassgewährung, z. B. Gebete, Pilgerfahrten, Almosen oder Kirchenbesuche – als äußeres Zeichen der immer erforderlichen inneren Umkehr. Allerdings erschien es schon im 9. Jahrhundert manchen Kirchensynoden lästerlich, Sündenvergebung durch Geld zu erkaufen, und man verbrannte mancherorts die Beichtbücher.
Beginnend mit dem 11. Jahrhundert entwickelte die Kirche aus diesen Gedanken ein juristisches Konzept und verknüpfte die diesseitige Praxis mit ewigen, jenseitigen Folgen: Die Verdienste Jesu Christi und der christlichen Heiligen bilden einen unermesslichen Gnadenschatz, den die Kirche, der in der Nachfolge der Apostel die Schlüsselgewalt gegeben ist, verwaltet und austeilen kann. Im Ablass gibt nun die Kirche dem Sünder aus diesem Gnadenschatz das, was ihm fehlt, um vor Gott wieder gerecht dazustehen – und dadurch wird dem Sünder die Strafe erlassen, sowohl die etwaige Bußzeit in diesem Leben als auch eine noch verbliebene Strafe im Fegefeuer.
Der Ablass wurde bis 1967 oft in Tagen oder Jahren bemessen. Damit ist kirchenrechtlich eigentlich die Zeit der Buße gemeint. Als diese ursprüngliche Bedeutung den Gläubigen nicht mehr bewusst war, übertrug man diese „zeitliche“ Strafzumessung aber dann auf die jenseitige Dimension und stellte sich Tage, Jahre oder Jahrhunderte im Fegefeuer vor, die mittels Ablass verkürzt werden konnten.
Eine Weiterentwicklung der Ablasspraxis bestand darin, dass man nicht nur für sich selbst, sondern auch für Verstorbene stellvertretend Ablässe erwerben konnte – was als eine Tat der Nächstenliebe galt.
Ablassbrief im Kulturhistorischen Museum in Stralsund
Im Spätmittelalter entstanden aus diesem Konzept verschiedene Missbräuche: Einerseits kamen vermögende Gläubige zu der Fehlinterpretation, dass sie – ohne sich um die Folgen zu sorgen – unbekümmert sündigen könnten, da ihnen die Kirche ja gegen eine entsprechende Geldspende den Ablass gewähren würde. Andererseits entdeckten die unter ständiger Geldnot leidenden Päpste, dass sich der Gnadenschatz der Kirche mittels Ablassgewährung gegen Geld in einen „echten“ Schatz in klingender Münze verwandeln ließ, wenn man den Gläubigen nur die Schrecken des Fegefeuers für sich und ihre verstorbenen Angehörigen genügend dramatisch ausmalte.
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Ablass aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz Seite/lokale-fdl.txt GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |